Desinfektionsmittel – Sanft zur Haut?

Im Januar 2025 hat der BGH ein Urteil1 bezüglich der Werbung für einen „Desinfektionsmittel-Schaum“ erlassen, was anschaulich darstellt, wie strikt die Regelungen zur Beschreibung gewisser Produkte sind.
Die Klägerin war hier eine Verbraucherzentrale. Sie hatte beanstandet, dass das Produkt mit den Worten „Sehr sanft zur Haut“, „100 Prozent bestätigen Hautverträglichkeit“ beworben wurde. Das Landgericht Mannheim und das Oberlandesgericht Karlsruhe gaben der Verbraucherzentrale in den ersten Instanzen nur teilweise Recht. Deshalb legte diese Revision beim BGH ein.
Der BGH erkannte in den Formulierungen Verstöße gegen die Europäische Biozid-Verordnung und bestätigte, dass diese über das deutsche Wettbewerbsrecht wegen möglicher Beeinträchtigung von Verbraucherinteressen nach §§ 3, 3a UWG verfolgbar ist. Die Vorinstanz hatte das nicht so gesehen. Auszug aus der BiozidVO:
„…In der Werbung für Biozidprodukte darf das Produkt nicht in einer Art und Weise dargestellt werden, die hinsichtlich der Risiken des Produkts für die Gesundheit von Mensch oder Tier oder für die Umwelt oder seiner Wirksamkeit irreführend ist. Die Werbung für ein Biozidprodukt darf auf keinen Fall die Angaben „Biozidprodukt mit niedrigem Risikopotenzial“, „ungiftig“, „unschädlich“, „natürlich“, „umweltfreundlich“, „tierfreundlich“ oder ähnliche Hinweise enthalten….“
Beim ersten Lesen könnte man vermuten, dass es dem Gesetzgeber hier gelungen ist, ziemlich klar zu beschreiben, was erlaubt ist und nicht?
Das Oberlandesgericht aber hatte erst begründet, dass Verbraucher erkennen würden, dass es sich um verhältnismäßig wenig schädliche Produkte handelt („Gerade hier entnimmt der Verkehr dem Attribut 'hautfreundlich' nur eine Relativierung schädlicher Nebenwirkungen“, Rz. 86 des OLG-Urteils). Der BGH hat nun jedoch berichtigt, dass hier eine abstrakte Irreführungsgefahr ausreicht. Dies wurde bereits durch eine sog. Vorlage an den Europäischen Gerichtshof im Oktober 2024 bestätigt (Rs. C-2024-527, „dm-drogiere markt“).
Erkennbar ist daraus, dass gerade bei Medizin- und Kosmetikprodukten die Vorschriften des Europarechts strikt beachtet werden müssen und im Zweifel zurückhaltende Bezeichnungen in der Werbung verwendet werden sollten. Zudem wird noch einmal bestätigt, dass solche Verstöße durch Verbraucherverbände (und Mitbewerber) wirksam privatrechtlich durchgesetzt werden können.
Weiterhin ist der Fall ein Beispiel dafür, dass Gesetze unterschiedlich verstanden und ausgelegt werden. In der Regel gibt es bereits höchstrichterliche Rechtsprechung, die Hinweise für die Praxis gibt. Sollte solche noch nicht vorliegen oder widersprüchlich sein, kann sich das Einlegen von Rechtsmitteln lohnen.
1 I ZR 197/22, Urt. v. 25.01.2025